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patternpool.de - ISSN 2628-829X

Gesundheits- und entwicklungsförderliche Seminargestaltung: Der Einsatz eines wissenschaftlichen Analyseinstruments als Feedbacktool

Hier wird ein Instrument vorgestellt, das für eine gesundheits- und entwicklungsförderliche Seminargestaltung genutzt werden kann. Es werden Antworten zu der Frage gegeben, wie sich eine Dozentin/ein Dozent verhalten kann, damit sie/er die psychische Gesundheit und Entwicklung der Studierenden positiv beeinflusst. Dieses Pattern eröffnet vielfältige Reflexionsmöglichkeiten des eigenen Lehrhandelns.

Metadaten

  • Autoren/-innen: Sylvie Vincent-Höper
  • Mentoren/-innen: Keine Mentoren zugeordnet
  • DOI: Keine DOI zugeordnet
  • ISSN: 2628-829X
  • CC-Lizenz: CC-BY (Bearbeitung erlaubt unter Namensnennung)
  • Zitiervorschlag:
    Sylvie Vincent-Höper (2019): Gesundheits- und entwicklungsförderliche Seminargestaltung: Der Einsatz eines wissenschaftlichen Analyseinstruments als Feedbacktool. Hamburg: PatternPool.

Eigenschaften der Maßnahme

Im Rahmen meiner Lehre setze ich ein Instrument zur Messung des gesundheits- und entwicklungsförderlichen Lehrendenverhaltens ein, welches auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Führungsforschung basiert und in einem partizipativen Prozess gemeinsam mit Studierenden angepasst wurde.
Das Instrument erfasst mit 42 Items (16 Skalen) überfordernde, entwicklungsorientierte und unterstützungsorientierte Führung.
Die Dimension „Überfordernde Führung“ umfasst sowohl die quantitative Überforderung durch zu viele Aufgaben bzw. durch Zeitdruck als auch die qualitative Überforderung durch die Delegation von zu schwierigen Aufgaben.
„Entwicklungsorientierte Führung“ beinhaltet die Delegation von anspruchsvollen Aufgaben, die den Einsatz von vielfältigen Fähigkeiten und Fertigkeiten erfordern, sowie das Einräumen von Einflussmöglichkeiten, die es den Studierenden erlauben, das eigene Wissen und Können einzubringen und zu entfalten.
„Unterstützungsorientierte Führung“ bezieht sich zum einen auf die Bereitstellung aufgabenbezogener Ressourcen, wie z. B. die Klarheit von Aufgabenanforderungen und Verantwortlichkeiten, Erläuterung der Sinnhaftigkeit von Aufgaben und Zielen, angemessene Information der Studierenden sowie die Transparenz von Bewertungskriterien, und zum anderen auf soziale Ressourcen wie z. B. Anerkennung und Feedback durch die Dozentin/den Dozenten.

Verbindung zum klassischen Lehrformat:

  • Vorlesung
  • Seminar
  • Übung
  • Projekt
  • Praktikum
  • Prüfung
  • Selbststudium
  • Vorkurs
  • Sonstiges

Verortung im didaktischen Dreieck

  • Inhalte für die Studierenden auszuwählen, anzuordnen, darzustellen, zu erklären, (digital) aufzubereiten, interaktiv zu machen etc.
  • Studierende methodisch darin zu unterstützen, sich Inhalte (allein oder in der Gruppe) anzueignen, diese zu verstehen, anzuwenden, weiterzuentwickeln, selbst zu generieren etc.
  • Dass ich als Lehrender mit den Studierenden in Kontakt komme und in Interaktion trete (Feedback, Kommunikation etc.)
  • Die Lehrorganisation zu verändern, die für die Beziehung zwischen Inhalten, Studierenden und mir als Lehrender von Bedeutung ist.

Mit dieser Maßnahme werden primär gefördert:

  • Rezeptive Aktivitäten (dienen dem Lesen, Anschauen, Zuhören)
  • Übende Aktivitäten (dienen dem Ausprobieren, der Routinebildung etc.)
  • Produktive Aktivitäten (dienen der Schaffung eigener Inhalte)
  • Organisatorische Aktivitäten (dienen der Koordination, Vernetzung u.u00e4.)

Beziehung zur Forschung:

  • Forschung fließ als Inhalt in die Lehrmaßnahme ein, sodass sich Studierende zu Ergebnissen und/oder Prozessen des Forschens kundig machen können
  • Forschung ist das Ziel der Lehrmaßnahme, sodass Studierende das Hand- und Denkwerkzeug für eigene Forschungsaktivitäten einüben
  • Forschung ist der Modus der Lehrmaßnahme, sodass Studierende selbst in irgendeiner Form forschend tätig werden und Forschungsergebnisse generieren
  • Die Lehrmaßnahme dient dazu, die Voraussetzung für forschungsnahes Lernen zu schaffen.
  • Sonstiges
  • Keine

Rolle von digitalen Medien:

  • Keine nennenswerte Rolle, weil es sich primär um Präsenzlehre handelt.
  • Eine gewisse bzw. mäßige Rolle, weil es sich um ein hybrides Lehrformat handelt.
  • Eine zentrale Rolle, weil es sich um Online-Lehre handelt.

Grund

DozentInnen sind auf Feedback der Studierenden angewiesen, um zu wissen, ob ihre Aufgaben und Erwartungen auf angemessenem Niveau sind. Dies ist nicht nur wichtig für einen erfolgreichen Seminarablauf, sondern kann auch deutlich dazu beitragen, die Studierenden in der Entwicklung ihres Potenzials zu unterstützen und ihre Gesundheit zu fördern.
Belastungen im Studium und psychische Beeinträchtigungen von Studierenden rücken in letzter Zeit immer stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit. Die Suche nach Ressourcen, bzw. Schutzfaktoren, die es den Studierenden ermöglichen, trotz Belastung gesund zu bleiben, spielt eine zunehmend wichtige Rolle.
Die Dozentin/der Dozent hat im Rahmen der Seminargestaltung einen erheblichen Einfluss auf die Belastungen und Ressourcen der Studierenden. Durch eine entsprechende Zuweisung von Aufgaben kann die Dozentin/der Dozent zur Entwicklung von Kompetenzen der Studierenden und zur Förderung ihrer Gesundheit beitragen, oder stattdessen zu einer psychischen Fehlbeanspruchung durch Unter- bzw. Überforderung. Ressourcen sind entscheidend dafür, ob Anforderungen erfüllt und Belastungen gut bewältigt werden können. Ähnlich wie Führungskräfte bei ihren Mitarbeitenden, verfügen DozentInnen über vielfältige Möglichkeiten, sowohl aufgabenbezogene Ressourcen (z.B. das Ermöglichen von Handlungsspielräumen und die Beteiligung an Entscheidungsprozessen) als auch soziale Ressourcen (z.B. Anerkennung, konstruktives Feedback oder instrumentelle Unterstützung) ihrer Studierenden positiv zu beeinflussen. Damit sind sie ein entscheidender Faktor für die Entwicklung und Gesundheitsförderung von Studierenden.
Leider fehlt DozentInnen häufig das Wissen über entwicklungs- und gesundheitsrelevante Prozesse sowie Umsetzungsstrategien zur Gesundheitsförderung. Da dieses Wissen nur selten mit den üblichen Feedbackinstrumenten eines Seminars für DozentInnen zur Verfügung steht, habe ich ein wissenschaftlich fundiertes Messinstrument entwickelt, das Aufschluss über das gesundheits- und entwicklungsförderliche Lehrendenverhalten gibt.

Grund für die Entwicklung der Maßnahme:

  • Akutes Defizit bzw. akuter Konflikt
  • Bestehendes bzw. strukturelles Problem
  • Vorweggenommene Herausforderung
  • Persönliches professionelles Anliegen
  • Impuls aus meinem Umfeld
  • Sonstiges

Kontext

Ich nutze das Instrument als Online-Feedbacktool gegen Mitte des Semesters, um mir Rückmeldung zu meinem gesundheits- und entwicklungsförderlichen Lehrendenverhalten zu holen und ggf. Änderungen im Verhalten oder im Umgang mit den Studierenden vornehmen zu können.
Die Beantwortung des Fragebogens dauert ca. zehn Minuten und findet auf freiwilliger Basis während der Seminarzeit in anonymisierter Form online statt. Die Auswertung wird ab acht Personen durchgeführt, um die Anonymität zu wahren. Die statistische Auswertung findet in der folgenden Sitzung live im Plenum statt, um den Studierenden gleichzeitig die statistischen Kompetenzen zur Datenauswertung zu vermitteln, die ein zentraler Bestandteil ihres Studiums sind. Die Auswertung nimmt ca. 30 Minuten in Anspruch. Die Diskussion der Ergebnisse findet direkt im Anschluss statt und dauert erfahrungsgemäß zwischen ca. 30 Minuten.
Durch den Einsatz des Fragebogens ist es mir möglich, gezielte Rückmeldungen zu erhalten, die ich dann im Prozessverlauf mit den Studierenden offen und transparent diskutieren kann. Die Auswertung und Diskussion der Befragung findet immer im Plenum statt. Der Vorteil dieser „Halbzeitbefragung“ liegt darin, dass die Möglichkeit besteht, in der zweiten Seminarhälfte gegenzusteuern und gegebenenfalls präventiv Modifikationen herbeizuführen, um eine "gesunde" Kompetenzentwicklung zu gewährleisten.

Meine Maßnahme ist entstanden und hat sich bewährt an einer:

  • Universität
  • Fachhochschule
  • Dualen Hochschule
  • Pädagogischen Hochschule
  • Sonstiges

Meine Maßnahme ist in folgender Disziplin (oder mehreren) zu verorten:

  • Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften
  • Ingenieurwissenschaften
  • Sozialwissenschaften
  • Geisteswissenschaften
  • Lehrerbildung
  • Rechtswissenschaften
  • Kunst, Design-Wissenschaften
  • Medizin (inkl. Gesundheitswissenschaften)
  • Interdisziplinäre Bereiche
  • Sonstiges

Die Zielgruppe meiner Maßnahme besteht primär aus:

  • Studieninteressierten
  • Studienanfängern
  • Fortgeschrittenen Studierende im Bachelor (oder ersten Studienabschnitt)
  • Studierende am Ende des Bachelorstudiums (oder ersten Studienabschnitts)
  • Studierende am Ende des Masterstudiums (oder zweiten Studienabschnitts)
  • Doktoranden oder Postdocs

Kräfte

Ähnlich wie bei Mitarbeitenden, sind auch Studierende sehr heterogen und bringen unterschiedliche Voraussetzungen und Bedürfnisse mit. Das stellt eine Dozentin/einen Dozenten vor eine große Herausforderung, weil die Anforderungen bzw. Aufgaben für einen Studierenden im positiven Sinne stimulierend sein können und für den anderen Studierenden eine Überforderung darstellen. Die Form der Teamarbeit (inkl. Bewertung auf Teamebene) kann hier unterstützend wirken, weil sich die Kompetenzen der Studierenden ergänzen oder Defizite kompensiert werden können. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist, dass die Teamarbeit gut angeleitet und begleitet wird. Zu diesem Zweck lasse ich die Teams zu Beginn ihrer Zusammenarbeit Teamziele definieren, die sich darauf beziehen, was sie gemeinsam erreichen wollen und wie sie miteinander arbeiten möchten. Außerdem tauschen sie sich darüber aus, wer welche Kernkompetenzen in die Zusammenarbeit einbringt. Zur Semestermitte lasse ich diese Teamarbeit anhand eines strukturierten Interviewleitfadens reflektieren und biete Teamcoachings zur Konfliktprävention oder Potenzialentfaltung an. Diese Reflexionsübungen benötigen natürlich Zeit und ich versuche Synergieeffekte zu schaffen – beispielsweise indem ich die Auswertung der Online-Befragung zum Lerninhalt mache bzw. den Erwerb von Kompetenzen zur Auswertung von Befragungen als Lernziel definiere. Zudem formuliere ich selbst Ziele zu Beginn jeder Lehrveranstaltung und präsentiere diese meinen Studierenden. Ein Ziel bezieht sich dabei auf den Erwerb von überfachlichen Kompetenzen, wie z.B. Teamarbeit, Projektmanagement, Selbstreflexionskompetenz und Self-Leadership. Mir ist es in meinen Veranstaltungen sehr wichtig, dass die Studierenden – neben den fachlichen Kompetenzen – auch in ihrer sozialen Kompetenz und Selbstkompetenz gestärkt werden. Am Ende des Semester lasse ich mich von den Studierenden auf meinen Zieldimensionen raten (anhand einer siebenstufigen Smiley-Skala, auf der die Studierenden anonym anhand eines Laserpointers einen Punkt setzen können.

Widersprüchliche Anforderungen, die bei der Maßnahme eine Rolle spielen:

  • Selbst- und Fremdorganisation
  • Lernen durch Zuhören/Lesen/Zusehen und Lernen durch eigenes Tun
  • Analogen und digitalen Erfahrungswelten
  • Individuellem und sozialen Lernen
  • Fachlicher undüberfachlicher Kompetenzentwicklung
  • Exemplarischen und vollständigen Lerninhalten
  • Fachsystematischen und lernsystematischen Vorgehensweisen
  • Sonstige
  • Keine

Wirkungen

Das Instrument soll als Unterstützung für eine gesundheits- und entwicklungsförderlichen Seminargestaltung dienen. DozentInnen können durch den Einsatz des Intsruments gezielte Rückmeldungen zu ihrem Verhalten bekommen, um daraus ggf. Änderungs- bzw. Handlungsbedarfe ableiten zu können. Es wird das Ziel verfolgt, den DozentInnen möglichst viele konkrete handlungsorientierte Empfehlungen für die Förderung der Gesundheit und der Potenzialentwicklung ihrer Studierneden an die Hand zu geben, um sie zu befähigen, ihre Studierenden gesundheits- und anforderungsgerechter zu führen.

Beispiele/ Weiterführende Informationen

Weiterführende Literatur

Vincent-Höper, S., & Stein, M. (2019). The role of leaders in designing employees’ work characteristics: Validation of the health-and development-promoting leadership behavior questionnaire. Frontiers in Psychology, 10, 1049.

Vincent, S. (2011). Gesundheits- und entwicklungsförderliches Führungsverhalten: Ein Analyseinstrument. In B. Badura, H. Schröder, J. Klose & K. Macco (Hrsg.), Fehlzeitenreport 2011: Zahlen, Daten, Analysen aus allen Branchen der Wirtschaft. Schwerpunkt: Führung und Gesundheit (S. 49-60). Berlin: Springer

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