Kontext
Internationalisierung ist ein wichtiges strategisches Thema für Hochschulen. Im Kontext von Internationalisierungsbemühungen werden auch internationale Wissenschaftler*innen an deutsche Hochschulen eingeladen. Die Aufenthalte finden z.B. im Rahmen von Promotionen, Gastdozenturen oder Projekten statt. Oft werden die internationalen Lehrenden – als Teil Ihrer Verträge oder auch auf freiwilliger Basis – in der Lehre eingesetzt.
Hier stehen sie jedoch vor anderen Herausforderungen als an deutschen Hochschulen sozialisierte Lehrende. Lehrende mit geringen Deutschkenntnissen haben zudem einen erschwerten Zugang zu Weiterbildungs- und Onboarding-Angeboten für deutschsprachige “Neulehrende”.
An den Gasthochschulen fehlt jedoch oft das Bewusstsein für die besonderen Bedarfe der internationalen Lehrenden und damit einhergehend auch eine eigene Onboarding-Strategie.
Zum Onboarding an einer Hochschule gehören viele Faktoren, einer davon ist die Einführung in das Thema Lehre. Dabei gibt es zwei Hauptziele: 1. möchte die Hochschule das Potential dieser internationalen Lehrenden für den eigenen Lehrbetrieb nutzen. 2. sollen die internationalen Lehrenden gut in die Lehre starten können. Dieses Pattern fokussiert auf den 2. Aspekt.
Problem
Internationale Lehrende haben oft wenig Kenntnis und Vorstellung davon, wie Lehre an deutschen Hochschulen funktioniert. Dies betrifft sowohl organisatorische Themen als auch Aspekte der Lehr- und Lernkultur. Das führt ggf. zu Missverständnissen, Irritationen und einem holprigen Lehrstart.
Wirkkräfte
Das Onboarding von wissenschaflichen Mitarbeitenden an Hochschulen erfolgt oft insgesamt uneinheitlich, vieles liegt im Verantwortungsbereich der Fachbereiche statt in zentraler Verantwortung. Auch der Einstieg in das Thema Lehre wird unterschiedlich gehandhabt. An einigen Hochschulen werden Neulehrende z.B. durch die (verpflichtende) Teilnahme an hochschuldidaktischen Weiterbildungen oder im Rahmen von Neuberufenenprogrammen qualifiziert, an anderen Hochschulen erfolgt die Beschäftigung mit dem Thema eher ad hoc und auf Eigeninitiative.
Als besonderes Onboarding-Angebot für internationale Wissenschaftler*innen haben viele Hochschulen z.B. Welcome Center, die das Ankommen an der deutschen Hochschule erleichtern sollen. Gesonderte Angebote zum Thema Lehre gibt es hier allerdings in der Regel nicht. Internationale Lehrende können jedoch oft bei ihrem Stellenantritt nicht ausreichend deutsch, um an den allgemeinen Weiterbildungsangeboten teilnehmen zu können.
Ein Grund für das fehlende Lehr-Onboarding ist das fehlende Bewusstsein für die besonderen Bedarfe internationaler Lehrender – neben jenen, die alle “Neulinge” bewegen.
Das betrifft beispielsweise die Unterschiede in der Lehr-Lern-Kultur verschiedener Länder, Regionen, Hochschulen und auch Fachbereiche. Diese sind teilweise wenig fassbar und Lehrenden und Lernenden oft nicht explizit bewusst. Die Lehr-Lern-Kultur an deutschen Hochschulen ist für internationale Lehrende noch schwerer zu durchdringen als für in Deutschland sozialisierte Lehrende. Internationale Lehrende gehen von ihren bisherigen Erfahrungen mit Lehren und Lernen aus und übertragen diese auf ihre Lehrtätigkeit an deutschen Hochschulen. Das führt unter Umständen zu Reibung und Irritation auf Seiten der Lehrenden, aber auch in der Interaktion mit Studierenden.
Internationale Lehrende haben auch Ängste und Unsicherheiten in Bezug auf ihre Rolle und die an sie gerichteten Erwartungen seitens Studierender und seitens der Hochschule, insbesondere, wenn ein persönliches Netzwerk vor Ort fehlt, welches Unsicherheiten auffangen könnte.
Lösung
Es werden systematisch englischsprachige Onboarding-Programme (z.B. Workshops) angeboten, die thematisch auf die besonderen Bedarfe internationaler Lehrender eingehen.
Details der Lösung
Die Angebote haben das Ziel, internationalen Lehrenden einen guten Start an der deutschen Hochschule zu ermöglichen, ihnen Ängste zu nehmen und ihre Vorstellungen und bisherigen Erfahrungen in der Hochschullehre mit Gegebenheiten und Erwartungen an deutschen Hochschulen allgemein bzw. ihrer Hochschule abzugleichen.
Die im Folgenden genannten Themen sollten Teil des Onboardings sein und können durch verschiedene Lehr-Lern-Aktivitäten aufgegriffen werden.
- Lehren und Lernen weltweit: Abgleich von Erfahrungen und Erwartungen bezüglich der Lehr-Lern-Kultur
- Rolle als Lehrperson: Reflexion, Verantwortung von Lehrenden und Lernenden beim Lernprozess, Gestaltung von Lernumgebungen, Aktivierende Lehre …
- Interkulturelle Aspekte von Lehren und Lernen
- Interkulturelle Kompetenz und Umgang mit internationalen Studierendengruppen
- English as Medium of Instruction / Teaching in English
Die Onboarding-Angebote können unterschiedliche Formen haben, wie andere Weiterbildungen für Hochschullehrende auch, z.B. eine kleine Workshopreihe, ein mehrtägiges Onboarding-Programm, ein Online-Onboarding bereits vor der Anreise etc..
Das Lehr-Onboarding kann strukturell an verschiedenen Stellen verankert bzw. angedockt sein, z.B. an hochschuldidaktischen Einrichtungen. Wichtig wäre eine gute Kooperation und Kommunikation mit bereits bestehenden Services für internationale Mitarbeitende.
Ergänzend können auch neben den genannten Workshopinhalten im Themenbereich Lehren und Lernen weitere Angebote wie die folgenden gemacht werden: Mentoring, Informationen zu Organisatorischen Fragen (z.B. Wo finde ich Unterstützung, Ansprechpartner zum Thema Lehren und Lernen an meiner Hochschule), Informationsveranstaltungen zu Berufsperspektiven an deutschen Hochschulen, Netzwerkveranstaltungen mit erfahrenen Lehrenden.
Stolpersteine:
Wenn Angebote gesondert für internationale Lehrende gemacht werden, vernetzen sie sich eventuell nicht so gut mit den anderen Lehrenden. Eine Lösung wäre, die Angebote auch für bereits länger an der Hochschule Lehrende zu öffnen, diese könnten Interesse daran haben, zu netzwerken, ihr Englisch zu praktizieren oder interkulturelle Kompetenzen zu erwerben.
Es besteht die Gefahr der stereotypen Darstellung von Lehr-Lern-Kultur. Empfehlenswert ist es, mit einem offenen/flexiblen Kulturbegriff zu arbeiten (Stichwort: Fuzzy Cultures) und mit Methoden, die die Reflexion des selbst Erlebten und den Perspektivwechsel anstoßen.
Internationale Lehrende sind oft unsicher bezüglich der an sie gestellten Erwartungen und wollen dann diesen in der Lehre gerecht werden. Dabei könnten ihre eigenen wertvollen Erfahrungen und best practise verloren gehen. Empfehlenswert ist es daher sie zu ermutigen, ihre eigenen Erfahrungen in die Lehre zu integrieren und diese auch als Bereicherung für die deutsche Hochschule wertzuschätzen.
Ein struktureller Stolperstein können mangelnde personelle und finanzielle Ressourcen darstellen.
Folgen (Vorteile, Nachteile)
Vorteile
Die internationalen Lehrenden fühlen sich willkommen, kommen besser und schneller an ihrer Hochschule an und sind besser auf ihre Lehre vorbereitet.
Durch die explizite Besprechung von Unterschieden in der Lehr-Lern-Kultur können die Lehrenden besser mit Diskrepanzen zwischen ihren Erfahrungen und den jetzigen Erwartungen und Erfahrungen umgehen.
Zudem gehen Sie mit mehr Selbstbewusstsein in die Lehrendenrolle, haben andere (internationale) Lehrende kennengelernt und haben Möglichkeiten zum Austausch.
Durch das strukturierte Onboarding internationaler Lehrender können Hochschulen deren Potenzial besser ausschöpfen.
Comments (0)