Kontext
– Ein Pattern auf der Ebene der hochschuldidaktischen Weiterbildung –
Das Pattern ist im Feld der Hochschullehre und ihrer Unterstützung durch professionelle Hochschuldidaktiker*innen bzw. Expert*innen für die didaktische und inhaltliche Gestaltung von Lehre angesiedelt. Konkreter handelt es sich um den Support der Lehrveranstaltungskonzeption- und planung. Die Planungs- und Konzeptionsphase von Lehrveranstaltungen gilt ein wesentlicher Garant für erfolgreiches Lernen der Studierenden (Schneider & Preckel, 2017) und bedarf deshalb der besonderen Aufmerksamkeit.
Da Lehre kontinuierlich neuen Anforderungen begegnet – etwa durch Digitalisierung, Nachhaltigkeit oder den Umgang mit Diversität – sind Anpassungen oder auch Neukonzeptionen von Lehr-Lern-Formaten notwendig. Hochschuldidaktische Zentren und ähnliche Supporteinrichtungen begleiten diesen Wandel mit Angeboten, die sich an den Bedürfnissen der Lehrenden orientieren.
Problem
Lehrende beklagen häufig, dass ihnen zu wenig Zeit für die Überarbeitung und Konzeption/Planung ihrer Lehrveranstaltungen vor dem Semesterstart zur Verfügung steht, denn oft wird die Planungsphase von anderen akuten Problemen zum Semesterstart überlagert.
Hochschuldidaktische Workshops bieten für diese Planung oft nicht den nötigen Raum, da sie viel Zeit zur umfassenden Behandlung des Workshopthemas benötigen, individuelle Fragen daher eher kurz bzw. nur teilweise behandelt werden können und der Transfer in die eigene Lehre demzufolge meist im Nachhinein erfolgen muss.
Es braucht ein Qualifizierungs- bzw. Beratungsformat, welches auf die individuellen Bedürfnisse der Lehrenden in der Phase der Lehrkonzeption und Lehrveranstaltungsplanung antwortet.
Wirkkräfte
- Hochschuldidaktische Workshops fokussieren eher die Vermittlung von hochschuldidaktischen Inhalte und weniger den direkten Transfer.
- In der Regel ist der Qualifizierungs- und Beratungsbedarf der Teilnehmenden vorab nicht bekannt. Dadurch ist beim Start unklar, ob die Veranstaltung für die Teilnehmenden passt bzw. das Problem/Anliegen der Lehrenden adressiert.
- In Workshops zu spezifischen Themen geht der Blick auf die gesamte Lehrveranstaltung verloren, damit werden mitunter zentrale Fragen nicht gestellt („passt die Methode/das Vorgehen überhaupt zu meiner Lehrveranstaltung?“) oder aktionistisch Einzelthemen in den Vordergrund gestellt, wodurch der Fokus der eigenen Veranstaltung ungeplant verrückt.
- Das Thema „Lehrveranstaltungsplanung“ als hochkomplexes didaktisches Entscheidungsfeld hat zu wenig eigenen Fokus in der hochschuldidaktischen Qualifizierung/ Beratung.
- Einzelberatung zur Lehrveranstaltungsplanung wird nicht angefragt oder kann von der Hochschule nicht geleistet werden.
- Lehrentwicklung ist ein iterativer, fortwährender Prozess.
Lösung
Eine zweitägige WERKSTATT bietet Lehrenden einen fokussierenden und inspirierenden Rahmen, selbstgesteuert an ihrem eigenen „Werkstück“ – der Konzeption oder Feinplanung einer Lehrveranstaltung – zu feilen. Lehrende können hier ihre Lehrveranstaltung bzw. Lehrkonzept als Ganzes in den Blick nehmen und einen individuellen Zugang zu ihren Lehrthemen entwickeln, ihre Konzeption anpassen und weiterentwickeln.
In der WERKSTATT können sie bei Bedarf auf unterschiedliche Werkzeuge wie Begleitungs- und Unterstützungsformate wie Lehrcoaching, hochschuldidaktische Expert:innenberatung, Peer-Beratung, informellen Austausch sowie Materialien zu den jeweiligen Aspekten der Lehrveranstaltungsplanung nach eigenem Ermessen zurückgreifen.
Sich wiederholende, transparent kommunizierte Arbeitsphasen bilden neben einem durchdachten Raumkonzept das zeit-räumliche Prozessgeländer für die Entwicklung der individuellen Planungen und Konzeptionen.
Details der Lösung
Vorbereitung:
Ein spezielles Raumkonzept ermöglicht die verschiedenen Funktionen der WERKSTATT: (rahmende) Großgruppenaktivitäten, Selbststudium/individuelle konzeptionelle Arbeit oder Teamarbeit, Einzel- und Gruppenberatung, informeller Austausch, Plenarvorträge.
Der zentrale Raum bietet Platz für alle Teilnehmenden (20-40) und hochschuldidaktischen Berater:innen (10-15) und wird zu Beginn in einer Plenarbestuhlung aufgebaut, die zwischenzeitlich für Gruppenaktivitäten im Raum zum Kennenlernen abgebaut wird. In einem ruhigen Arbeitsraum für das Selbststudium befinden sich Einzelplätze und ein Büchertisch. Ein Arbeitsraum für Gruppen bietet zusätzliche Arbeitsmaterialien (Lego, Moderationsmaterial etc.). In den zwei Beratungsräumen (siehe unten) werden die unterschiedlichen WERKBÄNKE/Thementische als Tischinseln mit Stühlen und daneben für die Beratungsarbeit vorbereitete Flipcharts/Pinnwände gestellt. Zur besonderen Atmosphäre tragen weiterhin Loungetische/Sitzecken (also kommunikative Begegnungsorte) und eine Getränke-/Snacktheke bei, die im zentralen Raum oder auch in einem Flur stehen können. Es ist logistisch und organisatorisch weniger aufwändig, wenn immer dieselben Räumlichkeiten verwendet werden können.
Die WERKSTATT kann auch rein virtuell stattfinden, auch hier benötigt es unterschiedliche virtuelle Arbeits-, Beratungs-, Pausenräume, z.B durch einen Kurs auf einer Lernplattform mit zentral verwalteten Videokonferenzräumen.
Für die Organisation sind zwei Personen, die die Gesamtverantwortung tragen, hilfreich. Sie laden zu Vor- und Nachbereitungstreffen der Beratenden ein, laden Impulsgeber:innen ein, kümmern sich um die Öffentlichkeitsarbeit und behalten den Überblick bei der Organisation. Sie übernehmen die Gesamtmoderation während der WERKSTATT. Um als WERKSTATT-Team zusammenzuwachsen und gemeinsame Vorstellungen zu entwickeln, sind bei einer erstmaligen Durchführung mehrere Vorbereitungstreffen nötig.
Bereits VOR der WERKSTATT erhalten alle Teilnehmenden einen Fragebogen zu ihrem Planungsvorhaben, also ihrem „Werkstück“, an dem sie arbeiten möchten. Sie geben darin sowohl an, wie sie zu diesem Zeitpunkt ihr konkretes Vorhaben beschreiben würden, als auch an welchen Werkbänken (Beratungstischen) sie sich vermutlich aufhalten werden (was sich auf die Einsatzplanung der Beratenden auswirkt).
Durchführung:
Die WERKSTATT findet in Präsenz, z.B. von 9 -16 Uhr statt. (Einen beispielhaften Ablauf, ein Werbeplakat, Fotos und Erfahrungsberichte siehe unten im Block „Medien“).
Vor dem offiziellen Beginn ist die Gestaltung der Eingangs- und Anmeldungszone ein wichtiger Baustein, der die Atmosphäre der Veranstaltung maßgeblich prägt. Eine persönliche Begrüßung und kurze Einweisung jeder/jedes Teilnehmenden hat sich als wichtig herausgestellt.
Die Orientierung und der Austausch untereinander wird durch interaktive rahmende und horizonterweiternde Inputs im Plenum ermöglicht.
Zu Beginn steht hier die Orientierung in der WERKSTATT sowie das Kennenlernen der anderen Teilnehmenden (z.B. deren Fachbezug) sowie der zur Verfügung stehenden WERKBÄNKE und den dazugehörigen Berater:innen im Mittelpunkt (siehe Prezilink im Anhang). Nach einer erneuten Fokussierung auf die jeweils individuellen Ziele (schriftlich mit Arbeitsblatt) startet die erste Phase der selbstgesteuerten Arbeit.
Der Vor- und Nachmittag wird durch diese drei Arbeitsphasen und durch Pausen strukturiert und gerahmt:
- Phasen der Gruppenarbeit (zur Einführung und zum Abschluss, für horizonterweiterende Impulse)
- Phasen der selbstgesteuerten Arbeit (allein im Arbeitsraum oder an WERKBÄNKEN in Einzel- oder Gruppenberatungen)
- Phasen der Reflexion und des Feedbacks und zum Ende auch eine Phase der Evaluation (des eigenen Arbeitsprozesses und der Rahmenbedingungen)
- Rekreationsphasen (eine ausgedehnte Mittagspause mit Anti-Mittagstief-Aktivierung, die Möglichkeit zu individuellen Warm-/Kaltgetränkepausen)
Das Herzstück der WERKSTATT ist ein spezielles Raumkonzept mit der Möglichkeit zu individueller hochschuldidaktischer Beratung zu verschiedenen Aspekten der Planung an den WERKBÄNKEN (Tischinseln zu Einzelthemen). Sind mehrere Räume vorhanden, hat sich die grobe Einteilung der Beratungsthemen in einen Raum für das GROBKONZEPT (Ziele schärfen, Grobkonzept finden/Semesterplan erstellen, Prüfungs-/Evaluierungskonzept finden) und einen für die FEINPLANUNG (Methoden auswählen, digitale Unterstützung der Lehre, Fragen der Motivation, Aufgabenerstellung/“check your tasks“ etc.) bewährt.
Weitere nützliche Räume sind: ein großer Raum oder Foyer für gemeinsame Beginn- und Schlussphasen sowie Mini-Inputs, ein „Raum der Stille“ für störungsfreies individuelles Arbeiten, ein Gruppenarbeitsraum für Lehrteams, ein Raum oder Sitzecke für informelle Begegnungen bei Kaffee und Snacks. Es braucht ebenso einen Platz für eine Snack-Bar und einen Büchertisch.
Die Beratungen zeichnen sich dadurch aus, die gesamte Lehrveranstaltung immer im Sinne des Constructive Alignments ausgehend von ihren Kompetenzzielen und außerdem in ihrer Einbettung in den curricularen Kontext zu betrachten. Hochschuldidaktische „Tipps“ oder Empfehlungen („Expert:innenberatung“) erfolgen dabei immer dem Verstehen der komplexen individuellen Lehr-Lern-Situation nachgeordnet. Die Beratenden müssen ggf. für diese spezielle beraterische Tätigkeit geschult werden.
Um allen Interessierten Zugang zu Beratungen zu gewähren, werden sie auf 30min getaktet und ggf. Beratungslisten ausgelegt oder einführende Gruppenberatungen angeboten. Kollegiale Beratung und informeller Austausch findet in Gruppenberatungen, während der interaktiven Inputs, in den Sitzecken statt.
Stolpersteine:
- Das Format ist für weniger als 20 Teilnehmende zu aufwändig, bei mehr als 40 Teilnehmenden kann es zum Ungleichgewicht zwischen Beratungsbedarf und -angebot sowie zur Überlastung der Raumkapazität kommen.
- Das Format WERKSTATT ist nicht überall bekannt, weshalb es vor allem in der Implementierungsphase an einer Hochschule/in einer Hochschulregion der speziellen Erläuterung des Formats bedarf.
- Teilnehmende müssen umschalten von der Gewohnheit, angeleitet zu werden, zum Prozess der Selbststeuerung. Um die selbstgesteckten Ziele zu erreichen, ist ein hohes Maß an Selbstdisziplin nötig.
- Für hochschuldidaktische Einsteiger:innen ist das Format nur bedingt geeignet, es bedarf einer für sie extra konzipierten hochschuldidaktischen Einführung zu Beginn der WERKSTATT.
- Für manche statushöhere Teilnehmende stellt der kollegiale Austausch auf Augenhöhe eine Hürde dar, diese kann thematisiert werden.
- Das Finden passender Räumlichkeiten kann eine Hürde darstellen. Mehrere Räume und ein alle Teilnehmenden umfassender Hauptraum sind optimal. Es ist aber auch möglich, die gesamte Werkstatt in einem einzigen großen Raum mit optischen Trennungen und Tischinseln durchzuführen.
Folgen (Vorteile, Nachteile)
Vorteile für Lehrende:
- In der WERKSTATT können die Lehrenden an ihren konkreten Fragen und Problemen zur Lehrplanung arbeiten.
- Eine Teilnahme an der WERKSTATT ermöglicht Lehrenden die „Verabredung mit sich selbst“ zur Lehrplanung und -konzeption wahrzunehmen.
- Lehrende haben zu jeder Zeit ihrer zweitägigen Arbeit die Möglichkeit, Feedback und Beratung zu erhalten. Dadurch erhalten sie oft ein noch tieferes Verständnis dafür, wo es “klemmt”.
- Lehrende profitieren von Fragen, Ideen und Lösungen der anderen.
- Lehrende erfahren, wie selbstgesteuertes Lernen funktionieren kann, was ihnen den Perspektivwechsel auf die Studierendenperspektive erleichtert.
- Die Teilnahme ermöglicht einen vertieften Transfer hochschuldidaktischen Wissens sowie ggf. die (professionelle) Rollenentwicklung als Lehrende.
Vorteile für die Hochschuldidaktik:
- Beratung von Lehrenden zur Veranstaltungsplanung konzentriert auf zwei Zeitpunkte im Jahr.
- Das Format ermöglicht die Betreuung einer stark heterogenen Zielgruppe.
- Das Format ermöglicht nebenbei auch die Sensibilisierung für hochschuldidaktische Themen, die den Teilnehmenden sonst nicht in den Blick gerückt wären.
- Die Beratung in einer WERKSTATT ist für die Berater:innen meist äußerst zufriedenstellend, da die Entwicklungen von Lehrplanungen bis zum Ergebnis (fertiger Plan) erlebt werden.
- Das Format ermöglicht es, mit Lehrenden Hospitationen für Sequenzen zu vereinbaren, zu denen sie sich Feedback in der Planung wünschten.
- Durch die WERKSTATT etabliert sich ein vertrauensvoller Kontakt zu den Berater:innen.
Nachteile für Lehrende:
- Lehrende arbeiten nur an „ihrem Projekt“ und schauen eher wenig über den Tellerrand hinaus.
- Lehrende bekommen keinen strukturierten Überblick über Themen an sich (z.B. Planung). Die Fokussierung auf die selbstgesteckten Ziele verunmöglicht es, alle Angebote der WERKSTATT wahrzunehmen.
- Lehrende ohne hochschuldidaktische Vorbildung sind ohne Einführung eher überfordert.
Nachteile für die Hochschuldidaktik:
- Die Gestaltung und der Aufbau der WERKSTATT ist vor allem die ersten Male sehr zeitaufwändig und bedarf einer eigenen Logistik.
- Die Tätigkeit in der WERKSTATT erfordert ein hohes Maß an Konzentration und das Einlassen auf zwei Tage störungsfreie Beratungssettings.
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